Bei all den Belehrungen und Gesetzen, die sich hier im Laufe der Jahre auf Typothalamus angesammelt haben, ist mir vor kurzem aufgefallen dass wir eines viel zu wenig beleuchten, den wunderschönen Beruf der Heilpraktik an sich! Deshalb wird es hier heute auch richtig schön, wir machen nämlich eine Zeitreise. Eine Reise aus der Vergangenheit in die Zukunft, wo liegen unsere Wurzeln und wo tragen sie uns noch hin? Viel Spaß bei lesen!
Es ist doch so, wenn ich fremden Menschen erzähle, dass ich Heilpraktikerin bin, dann kommt meist das hier zurück: “Echt, das sieht man dir gar nicht an” oder “Machst du auch Homöopathie” oder Naja, schon esoterischer Quatsch, oder?” Ich gebe zu, ich habe früher ähnlich gedacht. Aus Unwissenheit. Und weil in so vielen Einfamilienhäusern in Kleinstädten ein einsames Schild im Vorgarten steht mit dem Inhalt: “Heilpraktikerin Martine Mustermann, Termine nach Vereinbarung”. Ganz klar also ein Hausfrauenberuf. Und irgendwann bin ich selber in einer Praxis gelandet, erst als Patientin, dann schnell hinter dem Tresen auf der anderen Seite. Und dann in der Schule um festzustellen: Oha, das ist ja nichts als Anatomie und Medizin hier, verrückt! Ich wurde also, ganz klassisch, eines besseren belehrt und das probiere ich hier heute auch. Der Beruf des Heilpraktikers hat nämlich eine faszinierende Geschichte, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht und die es verdient, gesehen zu werden.
Entstehung des Berufs des Heilpraktikers im 19. Jahrhundert
Der Heilpraktikerberuf entstand im 19. Jahrhundert in Deutschland. Zu dieser Zeit gab es in der medizinischen Versorgung eine Lücke zwischen den hochqualifizierten Ärzt*innen und den volksmedizinischen Heilern. Dies führte zur Forderung nach einer speziellen Berufskategorie, die sich mit der Naturheilkunde und der Volksmedizin beschäftigen sollte.
1869: Das Geburtsjahr des Heilpraktikerberufs
Im Jahr 1869 erließ das Königreich Preußen das “Gesetz über die Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung”. Dieses Gesetz legte den Grundstein für die rechtliche Anerkennung des Heilpraktikerberufs. Es erlaubte Personen, die kein Medizinstudium absolviert hatten, die Ausübung der Heilkunde unter bestimmten Bedingungen.
Der Heilpraktiker wurde geschaffen, um die medizinische Versorgung in ländlichen Gebieten und für Menschen mit geringem Einkommen zu gewährleisten. Sie sollten grundlegende medizinische Versorgung und naturheilkundliche Behandlungen anbieten können.
Eine lange Tradition
Schon im Mittelalter und weit davor, lange bevor die moderne Medizin Fuß fasste, waren es die Heiler und Kräuterkundigen, die ihr Wissen aus der Natur schöpften. Sie erkannten die heilenden Kräfte von Pflanzen, Mineralien und natürlichen Elementen. Die Natur war ihre Apotheke, ihr Labor und ihre Inspirationsquelle.
Die Heilpraktiker der Vergangenheit waren oft eng mit der Natur verbunden. Sie kannten die heimischen Kräuter und Pflanzen und wussten um deren heilende Eigenschaften. Dieses Wissen wurde von Generation zu Generation weitergegeben und ist bis heute ein wertvoller Bestandteil der Naturheilkunde.
Heilpraktiker in der Zeit des Nationalsozialismus
Immer wieder kommen Stimmen auf, die vermuten dass Heilpraktiker während der Zeit des Nationalsozialismus entstanden sind, weil das Heilpraktikergesetz 17.02.1939 ist. Historisch reicht der Beruf allerdings, wie oben schon beschrieben, bis weit in das Mittelalter zurück. Richtig ist, dass der Beruf damals mit dem Gesundheitswesen reguliert und annuliert werden sollte. Das Gesetz sollte dazu dienen, die bestehenden Heilpraktiker ihren Beruf geregelt ausüben zu lassen oder sie durch einen erleichterten Zugang zu einem Medizinstudium zuzulassen damit aus Ihnen Ärzt*innen werden können. Durch ein Verbot von Ausbildungsstätten war der Heilpraktiker also zum aussterben verdammt worden.
Während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland (1933-1945) ergab sich für viele Berufsgruppen, einschließlich der Heilpraktiker, eine komplexe und ethisch herausfordernde Situation. Es ist wichtig zu beachten, dass die Positionen und Handlungen von Heilpraktikern in dieser Zeit stark variieren konnten, da es keine einheitliche Haltung gab. Hier sind einige Aspekte, die berücksichtigt werden sollten:
- Regulierung und Kontrolle: Die nationalsozialistische Regierung führte eine umfassende Kontrolle des Gesundheitswesens ein, einschließlich der Naturheilkunde und der Heilpraktiker. Bestrebungen zur Gleichschaltung des Gesundheitswesens führten zur Einführung von Regelungen und Gesetzen, die die Praxis der Heilpraktiker beeinflussten.
- Druck zur Konformität: Heilpraktiker wurden unter Druck gesetzt, sich dem nationalsozialistischen Regime anzupassen. Viele Heilpraktiker sahen sich gezwungen, die nationalsozialistische Ideologie zu unterstützen, um ihre Praxis fortzusetzen.
- Berufsethik und Dilemmata: Einige Heilpraktiker versuchten, ihre ethischen Grundsätze aufrechtzuerhalten und behandelten Patienten unabhängig von deren Herkunft oder politischer Zugehörigkeit. Dies führte oft zu einem ethischen Dilemma, da dies den nationalsozialistischen Ideologien widersprach.
- Zusammenarbeit und Konflikte: Wie in vielen anderen Berufen gab es sowohl Heilpraktiker, die mit dem nationalsozialistischen Regime kollaborierten, als auch solche, die sich gegen die Politik der Regierung aussprachen. Einige Heilpraktiker wurden verfolgt oder inhaftiert, wenn sie als politische Gegner angesehen wurden.
- Nachkriegszeit: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes wurde das Gesundheitswesen in Deutschland neu organisiert. Heilpraktiker wurden einer erneuten Prüfung und Regulierung unterzogen, um die Qualität und Ethik in ihrem Beruf sicherzustellen.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Handlungen und Positionen von Heilpraktikern während der Nazi-Zeit stark variierten und von individuellen Überzeugungen, Umständen und ethischen Grundsätzen beeinflusst wurden. Diese historische Periode bleibt ein komplexes und sensibles Thema, das weiterhin Gegenstand der Forschung und Diskussion ist.
Die moderne Naturheilkunde und ihre Wurzeln
Heute, in einer Zeit, in der wir von High-Tech-Medizin und synthetischen Medikamenten umgeben sind, bleibt die Naturverbundenheit der Heilpraktiker bestehen. Viele setzen auf bewährte Methoden, die auf jahrhundertealter Erfahrung basieren.
Homöopathie, Akupunktur, Phytotherapie – all diese Ansätze beruhen auf dem Wissen um die natürlichen Heilkräfte. Heilpraktiker von heute haben Zugang zu einem breiten Spektrum an Behandlungsmethoden, die nach wie vor die Natur als Grundlage nutzen.
Entwicklung und Regelungen
Im Laufe der Zeit wurden verschiedene Regelungen für den Heilpraktikerberuf erlassen, um die Qualifikation und die Ausübung der Heilkunde zu regulieren. Hier sei das HP-Gesetz und die Durchführungsverordnung genannt. Zudem unterliegen wir ja zahlreichen Einschränkungen, die durch andere Gesetze bedingt sind, zuletzt das Transplantationsgesetz und die Eigenblutgeschichte, ihr erinnert euch. Zudem unterliegt der Beruf in Deutschland bestimmten Qualifikationsanforderungen und einer strengen, amtsärztlichen Prüfung, um sicherzustellen, dass Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse besitzen.
Der Beruf des Heilpraktikers hat sich von seinen bescheidenen Anfängen im 19. Jahrhundert zu einem etablierten Bereich der alternativen Medizin entwickelt. Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker spielen eine wichtige Rolle in der Gesundheitsversorgung, indem sie ganzheitliche Ansätze und naturheilkundliche Behandlungen anbieten, die oft eine wertvolle Ergänzung zur Schulmedizin darstellen. Und genau so wollen wir es auch haben, wir wollen in der Zukunft keine Ärzte ersetzen, wir wollen Hand in Hand ergänzend tätig sein. Und langsam mal den alten, esoterischen Hauch ablegen, der irgendwie hängen geblieben ist.
Die grüne Zukunft des Heilpraktikers
Die Naturverbundenheit der Heilpraktiker bleibt nicht in der Vergangenheit verhaftet. Im Gegenteil, sie weist den Weg in die Zukunft. In einer Welt, die sich immer mehr der Bedeutung von Umweltschutz und Nachhaltigkeit bewusst wird, sind wir gefragter denn je. Auch wenn es sich manchmal wie ein Schritt vorwärts und zwei Schritte zurück anfühlt, die große Patientenzahl spricht für sich. Das lange ringen um eine geregelte Ausbildung wird hoffentlich irgendwann ein Ende haben, damit wird es auch weniger Unwissenheit und weniger Spekulationen über den Ausbildungsstandart geben.
Die Integration von ökologischen und nachhaltigen Ansätzen in die Naturheilkunde eröffnet aufregende Möglichkeiten. Die Verbindung von traditionellem Wissen mit modernen Umweltschutzmaßnahmen trägt dazu bei, die Gesundheit der Menschen im Einklang mit der Natur zu fördern.
Naturverbundenheit kommt nicht aus der Mode
Die Reise des Heilpraktikers, von den Wurzeln im Mittelalter bis in die grüne Zukunft, ist eine Geschichte der Naturverbundenheit. Sie zeigt, wie eng der Beruf mit der natürlichen Welt verbunden ist und wie dieses Wissen eine unschätzbare Ressource für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen darstellt. Deine Naturverbundenheit ist nicht nur eine Tradition, sondern auch eine Richtung, die uns in eine nachhaltige und grüne Zukunft führt. Und zwar auf ganz vielen Ebenen. Es lohnt sich also, es lohnt sich zu lernen dafür und es lohnt sich diesen Beruf in eine Zukunft zu führen. Zum einen um wirklich uraltes Wissen zu erhalten und zum anderen um diese alten Schätze mit neuen Erkenntnissen verknüpfen zu können. Die Reise ist noch lange nicht zu ende!